Spielunterbrechungen im Fußball

Differenzierte Analyse von taktischem Verhalten und Belastungsstrukturen auf der Basis von Spielunterbrechungen im Fußball CLAUDIA AUGSTE & MARTIN LAMES Problem Spielunterbrechungen im Fußball sind aus einer theoretischleistungsdiagnostischen Perspektive vor allem in zweierlei Hinsicht von Interesse. Zunächst einmal kann man die Spielunterbrechungen als Merkmal der Belastungsstrukturauffassen. Da intermittierende Belastungen im Fußball das zentrale Kennzeichen des konditionellen Anforderungsprofils darstellen, wird deutlich, dass summarischeAuskünfte wie z.B. eine zurückgelegte Laufstrecke von 10 Kilometern in 90 Minuten kaum auf die Beanspruchung schließen lassen. Es ist vielmehr notwendig, die Belastungen einzeln und prozessual zu betrachten, da ihre jeweilige Ausprägung und ihre Sequenz die Beanspruchung determinieren. Hierbei kann eine Unterbrechungsanalyse wertvolle Anhaltspunkte liefern. Zweitens handelt es sich bei Spielunterbrechungen um ein wesentliches Merkmal des Wettkampfes. Eine beschreibende Theorie des Fußballspiels, die sich mit den Spielunterbrechungen befasst, kann beispielsweise Rahmenbedingungen aufzeigen, die sich auch viele Experten oft nicht explizit bewusst machen. Betrachtet man beispielsweise das Finalspiel der Fußball-WM 2006, so wird deutlich, dass den beiden Mannschaften nur jeweils ca. 27% bzw. 25 Minuten der Spielzeit (eigener Ballbesitz) blieben,um Tore vorzubereiten. Den Rest der Zeit war das Spiel unterbrochen. Wenn man Spielunterbrechungen in ihrer Quantität (Häufigkeit und Umfang), aber auch ihrer Qualität (Art der Unterbrechung, erklärende Variablen wie Ort und Zeit, Mannschaft oder Spielstand) analysiert, kann man sich weitere aufschlussreiche Einblicke in taktische Verhaltensweisen von Mannschaften oder taktische Gesetzmäßigkeiten verschaffen. Methode Es wurden die 16 Endrundenspiele der FIFA WM 2006 auf die Spielunterbrechungen hin ausgewertet. Diese Spiele wurden sämtlich im K.-o.-System ausgetragen. Mehr lesen?Dann jetzt hier im Mitgliederbereich registrieren KLICK Taktische Überlegungen, die auch ein Unentschieden oder gar eine Niederlage akzeptabel erscheinen lassen könnten, waren also – im Gegensatz zu Vorrundenspielen – ausgeschlossen. Bei der Art des Beobachtungssystems handelt es sich um ein Zeichensystem (Lames, 1994). Die interessierenden Ereignisse (Spielunterbrechungen) wurden bei ihrem Auftreten als Beobachtungseinheiten registriert und mit einer Reihe von Merkmalen klassifiziert. Das Kategoriensystem der Unterbrechungen sah die Merkmale: Einwurf, Freistoß, Eckball, Abstoß, Elfmeter, Anstoß, Verletzung, Auswechslungund Schiedsrichterball vor. Für jede Unterbrechung wurde der Beginn, das Ende, die Dauer, die Art, die Mannschaft, der Ort und der Spielstand anhand von Fernsehbildern erfasst. Ergebnisse In den 16 Finalspielen mussten die Schiedsrichter insgesamt fast 2000 Mal zur Pfeife greifen. Damit unterbrachen sie die Spiele für durchschnittlich 41,83% der Spielzeit. Die effektive Spielzeit lag bei 58,17%. Dies ergibt bei durchschnittlich 3 Minuten effektiver Nachspielzeit insgesamt 55:14 Minuten effektive Spielzeit. Mit einer Standardabweichung von SD=03:00 und einer Spannweite von 51:14 bis 60:23 Minuten ist sie erstaunlich stabil (Variationskoeffizient V=5,4%). Die durchschnittliche Anzahl von Unterbrechungen lag bei 117 Unterbrechungen in 90 Minuten, die Spiele wurden also deutlich mehr als 1 Mal pro Minute (1,3 Mal) unterbrochen. Die durchschnittliche Dauer der Unterbrechungen lag bei 20 Sekunden. Die Unterbrechungsdauer hängt natürlich sehr stark von der Art der Spielunterbrechung ab. Die häufigsten Ursachen für Spielunterbrechungen sind Einwürfe und Freistöße, die pro Spiel jeweils ca. 40 Mal auftreten. Mit durchschnittlich 69 Sekunden dauert das Ausführen...

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